Communiqué Variantenabstimmung
Communiqué zur GGR Klima-Sitzung und zur Variantenabstimmung zwischen Netto-Null 2040 und Netto-Null 2050
Unter dem Druck des Klimastreiks schlug die Klima-Allianz im Grossen Gemeinderat am 31. Mai eine Verschärfung der Klimaziele auf NN2040 vor. Dies im Wissen darum, dass NN2050 verantwortungslos ist. Der Vorstoss von der FDP für eine Varianten-Abstimmung, also einer Abstimmung in der Bevölkerung über NN2040 und NN2050, wurde schlussendlich angenommen. Die GLP und EVP haben für das liberale Schlupfloch der Variantenlösung gestimmt, die Abstimmung zugunsten eben dieser gekippt und die Abmachung der Klima-Allianz verraten. Der Klimastreik ist darüber wütend und zutiefst enttäuscht, da ein sicherer und grosser Erfolg völlig unnötig depotenziert wurde.
Von der Petition für NN2030 zur Verschärfung der Zielsetzung zu NN2040
Die Verschärfung der Klimaziele auf NN2040 der Klima-Allianz sind primär die Früchte des Klimastreiks Winterthur. Wir bauten die letzten drei Monate kontinuierlich Druck auf den Gemeinderat auf. Mit Petition, Kritikschreiben, tausenden Protestschreiben und Demonstrationen äusserten wir die Kritik am Massnahmenplan. Parallel dazu sind wir mit klaren Forderungen auf die Parteien der Klima-Allianz zugegangen. In verschiedenen Sitzungen konnten Mandant*innen des Klimsatreiks die Parteien überzeugen, dass NN2050 ungenügend ist und durch ein verantwortungsvolleres Ziel ersetzt werden muss. Daraufhin einigte sich die Klima-Allianz zur Verschärfung der Ziele auf NN2040. Unsere Haltung ist klar: Wir unterstützen NN2040, doch wir kämpfen weiter für Verschärfungen der Ziele, denn nur NN2030 ist genügend und gerecht.
NN2040 – Ein wichtige Anpassung, doch immer noch ungenügend
Diese Verschärfung des Ziels auf NN2040 und die Anpassung des Zwischenziels sind aus unsere Sicht von grosser Bedeutung. Das Ziel um 10 Jahre vorzuziehen ist mehr als nur ein wichtiges Zeichen. Es zeige, dass einige Parteien allmählich verstehen, wie dringlich und schwerwiegend die Klimakrise ist und jedes einzelne Jahr Zerstörung verhindert und Leben rettet. Diese Entscheidung bringt erstmals zum Ausdruck, dass ein früheres Ziel zwingend notwendig ist und gaukelt der Bevölkerung nicht mehr vor, dass NN2050 eine valable Option zur Bekämpfung der Klimakrise sei.
Bis anhin haben die Stadt wie auch alle Parteien komplett versagt, die Bevölkerung adäquat über die Klimakrise zu informieren. Dahingegen sind sich diesmal die Klima-Allianz und der Klimastreik einig gewesen, dass es im Hinblick auf die kommende Abstimmung zentral sein wird, die Bevölkerung gemeinsam über die Klimakrise zu informieren und von der Unzulänglichkeit von NN2050 sowie der Notwendigkeit von NN2040 zu überzeugen. Die Entscheidung für NN2040 wäre genau darum so stark gewesen, weil die Klima-Allianz, die Stadt Winterthur und auch der Klimastreik bei der kommenden Volksabstimmung alle für NN2040 mobilisiert hätten. Gemeinsam – natürlich ausser der ökologiefeindlichen und wirtschaftshörigen Parteien – hätten wir eine starken Abstimmungskampf hinlegen können und die Bevölkerung mit grosser Wahrscheinlichkeit von der Alternativlosigkeit von NN2040 überzeugen können. All dies haben die glp und EVP nun völlig unnötig verunmöglicht, indem sie das bürgerliche Schlupfloch der Variantenabstimmung ausnutzten. Erneut ist also kein Verlass auf sie, wenn es darum geht verantwortungsvoll vorauszugehen. Durch diesen Verrat der gemeinsamen Abmachungen ermöglichen sie es, dass das verantwortungslose und inakzeptable NN2050 trotzdem vors Volk kommt.
Undemokratischer und folgenschwerer Verrat von glp und EVP
Warum dieser Entscheid der glp und EVP nicht nur eine etwas blöde Fehlüberlegung, sondern ein folgenschwerer Fehler und nicht nur ein Verrat an der Klimaallianz sondern auch gegen das Stimmvolk war, erläutern wir nun. Die FDP sowie die EVP und die glp wollten die Variantenabstimmung als demokratisch verkaufen. Das dies höchstens im ersten Augenblick richtig tönt, sich aber bei genauerer Analyse als Fehlschluss erweist, kann anhand eines Gedankenexperiment schön aufgezeigt werden.
Du und dein*e Partner*in wollen für eure 5-köpfigen Familie ein Haus erwerben. Dies ist eine zentrale Entscheidung in eurem Leben, denn es wird euch einen Grossteil eures Ersparten kosten und ihr werdet für den Rest von eurem Leben dort wohnen. Zwei Makler*innen, Barbara und Urs, bieten euch zwei Häuser an der Netto-Null Strasse 40 und Netto-Null Strasse 50. Die Makler*innen erkläre euch, dass NN40 natürlich schon etwas das bessere und sichere Haus ist, aber NN50 für den Preis auch ganz solide ist und euch alles gibt, was ihr in Zukunft braucht. Begeistert dass NN50 deutlich günstiger ist, kauft ihr dieses Haus und zieht überglücklich ein. Doch die Freude ist nur von kurzer Dauer. Ihr merkt bald, dass nicht nur der Keller feucht und das Erdgeschoss von Schimmel befallen ist, sondern dass das Haus grobe bauliche Fehler aufweist und daher einsturzgefährdet ist. Als wäre dies nicht genug, löst ein Kurzschluss noch einen Brand aus. Danach hat das Haus irreparable Schäden, ihr habt fast alles verloren, was euch lieb war und auch eure Leben sind existenziell bedroht.
Schockiert klagt ihr die Maklerinnen Barbara und Urs, welche euch das Haus verkauften, an: Sie hätten die Informationsasymmetrie ausgenutzt, nicht nach Treu und Glauben gehandelt, euch belogen und euch all diese grossen Mängel verschwiegen, gute Miene zum bösen Spiel gemacht! Ihr appelliert an die Vernunft und schreit entrüstet in den Gerichtssaal: «Der Makler hat verantwortungslose gehandelt! Wenn wir dies gewusst hätten, hätten wir uns doch nie für dieses Haus entschieden. Wir wurden verarscht! Wenn eine der beiden Optionen unser Leben zerstört, war es gar keine Entscheidung!» Die Richterin* und die Maklerinnen liegen sich in den Armen und lachen euch breit ins Gesicht: «Ihr hattet ja eine demokratische Wahl, es war eure Entscheidung. Seit doch mal vernünftig!».
Die Reaktion der Richterin* und der Maklerinnen sind natürlich total absurd. Kein vernünftiger Mensch würde sie von ihrer Verantwortung, Schuld und Rechenschaft absprechen. Traurigerweise entspricht dieses Gedankenexperiment in vielen Bereichen der Entscheidung für die Variantenabstimmung zu NN2040 und NN2050. Die Makler*innen sind die EVP und glp, die Richterin* der Stadtrat. Die Moral von der Geschicht ist, dass verschiedene Optionen allein nicht für eine demokratische Entscheidung reichen – die Optionen müssen auch valabel sein. Und vor allem, dass Gemeinderät*innen nicht Optionen zur Abstimmung bringen dürfen, welche schwerwiegende Konsequenzen für die im Unwissen gelassene Bevölkerung haben. So verbreitet die Parteien, welche der Variantenabstimmung zugestimmt haben Fehlinformationen, welche das Recht auf Meinungsbildung verletzen.
Denn die Gemeinderät*innen, haben als gewählte Repräsentant*innen eine grosse Verantwortung. Sie müss(t)en nach bestem Wissen und Gewissen für die Gesellschaft entscheiden und der Bevölkerung Optionen vorschlagen, welche verantwortungsvoll und nachhaltig sind. Sonst missbrauchen sie ihre Macht. Und genau dies haben die SVP, FDP, Piraten und die Mitte natürlich allen voran, aber auch die EVP und glp getan. Letztere obwohl sie Teil der Klima-Allianz waren, die sich auf NN2040 anstatt NN2050 geeinigt hatte. Dass sich die glp und EVP auf die Variantenabstimmungs-Schwindel einliessen, zeigt leider einmal mehr, dass sie noch immer grundlegende Dinge nicht verstehen: Erstens, dass NN2050 wirklich keine Option ist und wieso dies so ist. Zweitens und direkt aus erstens folgernd, dass sie nicht verstanden hatten, wie undemokratisch und verheerend die Variantenabstimmung ist.
Den zivilgesellschaftlichen Widerstand weiter aufbauen
Umso wichtiger wird darum ein guter Abstimmungskampf sein. NN2040 braucht die ganze Bevölkerung! Die glp und EVP müssen hier voll und ganze hinter NN2040 stehen, wollen wir die Gesellschaft überzeugen und sie sich selbst nicht völlig unglaubwürdig machen. Der Klimastreik wird sich ebenfalls für NN2040 aussprechen. Zudem werden wir stark darauf schauen, dass die Massnahmen wie geplant umgesetzt werden. Hier braucht es Kontroll- und Sanktionsmechanismen, dass Winterthur nicht wie der Bund seine Klimaziele für 2020 deutlich verfehlt. Zweitens werden wir auch die Parteien der Klima-Allianz sowie Regierung und Parlament mit Argusaugen beobachten, um zu verhindern, dass sie ihren Worten erneut wenige Taten folgen lassen. Drittens fordern wir die Stadt und die Parteien auf, die Bevölkerung endlich adäquat zu informieren und sich ganz klar für NN2040 auszusprechen. Viertens haben die vergangen Jahre und vor allem die letzten Wochen wieder gezeigt, dass einzig der Druck der Bevölkerung zu wirklichen Fortschritten in der Klimapolitik führt: Sich in Zukunft darauf zu verlassen, dass der Gemeinderat und Stadtrat von Winterthur die Klimakrise adäquat angehen, ist naiv. Den Widerstand auf der Strasse weiter aufzubauen ist notwendig, um das Klimaziel weiter zu verschärfen und dafür, dass die beschlossenen Klimaziele ernsthaft angegangen und eingehalten werden.
Datum: 04. Juni 2021